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Die mekkanische Phase der Prophetenbiographie und die Lehren daraus für die heutigen Muslime in Europa

Bismillah

Da die Situation der Muslime in Deutschland heute der mekkanischen Phase der Sira ähnelt, ist es wichtig, diese genau zu studieren, und auch die praktischen Mittel, die der Prophet (s.a.s.) dort einsetzte, kennenzulernen.
Im Folgenden ein Ausschnitt aus dem DIdI-Skript "Islamische Geschichte - eine analytische Einführung" (S.399 ff.)

Vorbereitungsphase (in Mekka)

Diese Phase war gekennzeichnet durch Erziehung der muslimischen Gemeinschaft.
Als der Prophet (s.a.s.) bemerkte, dass die Götzendiener nicht zu einer Koexistenz mit den Muslimen bereit waren, unternahm er zielstrebige Anstrengungen, um einen anderen Ort zu finden, wo der Islam und dessen Einladung beschützt wird.
Nach einigen Fehlschlägen, wie z.B. als der Prophet (s.a.s.) niedergeschlagen aus Taif zurückkehrte, fand er schließlich diesen Ort mit Medina.
Lehrinhalt:
In der mekkanischen Phase war der Weg der Dawa des Propheten (s.a.s.) durch drei Punkte charakterisiert, bevor er das erste Etappenziel (die Errichtung einer lokalen islamischen Herrschaft, was später Medina wurde) erreichte:
  1. Die Erziehung (Tarbiya)
  2. Die Vermeidung einer offenen Konfrontation mit denen, die die Macht in den Händen hatten (damals die Quraisch in Mekka)
  3. Die Suche nach einem Ort, der die Dawa beschützte, und von der die Dawa ausgehen kann (dies wurde dann schließlich Medina)

In der Anfangszeit kam der Prophet (s.a.s.) mit den Muslimen im Darul-Arqam zu geheimen Treffen zusammen, wo er ihnen den Quran lehrte und sie auf den geraden Weg anwies. Die Zahl der Muslime wuchs von Tag zu Tag, weil einerseits die Religion des Islams in Einklang mit der natürlichen Veranlagung des Menschen (fitra) ist und andererseits, weil jeder der damaligen Muslime richtig den Islam verkörperte und ein gutes Vorbild bezüglich Umgang mit anderen Menschen, Wahrhaftigkeit, das Sich-Halten an die Anweisungen des Propheten (s.a.s.), das geduldige Ertragen von Unannehmlichkeiten auf dem Weg der Dawa war und weil sie nicht die Gewalt der Feinde des Islams erwiderten.
Der Prophet (s.a.s.) hielt seine Gefährten an, von jeglicher Erwiderung der Gewalt Abstand zu halten, damit nicht ein Kampf entsteht, dem die damaligen wenigen Muslime nicht standhalten könnten.
Dieses Verhalten der Muslime und diese Weisheit waren es im Laufe der Jahrhunderte, welche die Nichtmuslime zum Islam brachte und so die Anzahl der Muslime anwachsen ließ.
...
Die Phase der Erziehung möchten viele Leute gerne verkürzen, so dass dann bei den Muslimen das richtige Verständnis und die islamische Persönlichkeit noch nicht genügend ausgereift sind und sie zu früh Verantwortung in der Dawa tragen müssen.

In Westeuropa leben viele Muslime in einer sog. Parallelgesellschaft, haben ein niedrigeres soziales Niveau, und sind gekommen, um vom Westen etwas zu haben (Geld, Wissen, Sicherheit) und nicht, um den Menschen etwas zu geben. Die meisten Muslime halten sich gar nicht an den Islam und so sieht Otto-Normalverbraucher auch keinen Grund, warum er Muslim werden sollte. Einige wenige, die viel nachdenken und lesen, kommen zum Islam (z.B. Murad Hofmann, Roger Garaudy, Christian Hoffmann,...).
Deswegen ist es unbedingt für die Dawa nötig, die muslimischen Minderheiten richtig zum Islam zu erziehen, damit sie ein Vorbild für die Nichtmuslime werden.2

Praktische Maßnahmen in der mekkanischen Phase:

Nach einer kurzen Anfangsphase, wo der Prophet (s.a.s.) noch nicht aufgefordert war, sein Volk zum Islam aufzurufen, begann die offene Verkündung des Islams. Zum Schutz der schwächeren Mitglieder der jungen muslimischen Gemeinschaft gaben jedoch die meisten Muslime zu Anfang nicht offen ihre Zugehörigkeit zum Islam bekannt. Der Prophet (s.a.s.) sagte ja einmal: „Helft euch in der Erledigung eurer Angelegenheiten, indem ihr sie im Geheimen erledigt, und indem ihr darüber schweigt.“ Dies ist natürlich nur für eingeschränkte Fälle gemeint und auch nur eine organisatorische Sicherheitsmaßnahme. Von der Lehre her wurde der Islam vom Propheten (s.a.s.) offen und uneingeschränkt gepredigt. Der Islam ist keine Geheimreligion. Eine der Frauen des Propheten (s.a.s.) sagte einmal: „Der Prophet (s.a.s.) hatte keine Geheimnisse.“

Lehrinhalt:
Auch in Zeiten, wo die Muslime sehr bedrängt sind, müssen die Gelehrten uneingeschränkt die volle Dimension des Islams offen legen, damit die Menschen nicht irregeleitet werden.
In der Geschichte war ein Grund, warum das frühe Christentum vom richtigen Weg und der Lehre von Jesus (a.s.) abgewichen ist, der, dass die frühen Christen so bedrängt waren, dass die Lehre nur im Geheimen weitergegeben wurde. Es gab im Wesentlichen keine öffentlichen Gelehrten, die die Dinge klarstellten. Dadurch war es leicht möglich, dass Irrlehren wie z.B. dass Jesus Gottes Sohn ist, sich leicht unter den Christen, die ja nur im Verborgenen ihre Religion praktizieren und sich treffen konnten, ausbreiteten.
In der heutigen Zeit ist auch ein großer Teil des Extremismus der 70iger und 80iger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts in den arabischen Ländern darauf zurückzuführen, dass die von Hasan Al-Bannas gegründete Muslimbruderschaft, die einen gemäßigten Weg der Mitte im Volk verbreitet hatte, lange Zeit verfolgt war und nicht offen die ausgeglichene Interpretation des Islams zur damaligen Zeit weitertragen konnte. Dadurch entstanden extremistische Ideologien, die sich leicht im Volk ausbreiten konnten.
Heute ist es die Aufgabe der Muslime, die Botschaft des Islams rein und in seiner ganzen Form den Menschen zu überbringen. Um dies zu erreichen soll der Muslim sogar unter Umständen sein Leben einsetzen. Ein Beispiel, woran das klar zu sehen ist, ist der Ausspruch des Propheten (s.a.s.), in dem er sagt, dass der vorzüglichste Märtyrer Hamza (r.) ist und derjenige, der das Wort der Wahrheit vor einem Tyrannen sagt und dann getötet wird. D.h. um das Wort der Wahrheit, was ja nichts anderes als die volle Dimension des Islams ist, zu sagen, und somit die Botschaft des Islams zu bewahren, setzt er sein Leben ein.